Neuroathletik Input Output

Input → Output in der angewandten Neurologie: Wie kleine Reize große Veränderungen bewirken

grundlagen der neuroathletik jebrini training neuroathletik neuroathletiktraining yassin jebrini Nov 22, 2025

Wie lässt sich messen, was ein Nervensystem wirklich braucht? Wie erkennt man, ob ein Input hilfreich oder überfordernd ist? Und was passiert im Körper, wenn sich das Sicherheitsgefühl des Gehirns verändert?

Das Nervensystem als Entscheidungszentrale: In der angewandten Neurologie betrachten wir den Körper nicht als eine Ansammlung von Muskeln, Gelenken und Gewebe, sondern als Ausdruck dessen, was das Nervensystem gerade zulässt. Jeder Bewegungsumfang, jede Kraftleistung, jedes Schmerzsignal ist im Grunde eine Entscheidung des Gehirns. Wenn es sich sicher fühlt, erlaubt es Freiheit, Präzision und Kraft. Wenn es Unsicherheit wahrnimmt, schränkt es ein – durch Spannung, Schmerzen oder Koordinationsprobleme.

Ein Beispiel: Ein Klient hebt den Arm nur bis zur Schulterhöhe, weil „es zieht“. Nach einem kurzen visuellen Drill – also einer gezielten Augenbewegung – ist plötzlich mehr Bewegung möglich, der Schmerz verringert sich. Das ist keine spontane Gewebeheilung, sondern ein Hinweis darauf, dass das Gehirn seine Einschätzung verändert hat: „Ich bin sicher – ich kann loslassen.“

Alles, was wir sehen, ist Output: Diese kleinen Veränderungen sind keine Zufälle. Sie sind messbare Outputs – also Reaktionen, die zeigen, wie sicher oder unsicher das Nervensystem gerade ist. Dabei geht es nicht nur um Bewegung, sondern um ein ganzes Spektrum an Ausdrucksformen: (1) Motorische Signale wie Kraft, Geschwindigkeit oder Bewegungsumfang. (2) Autonome Reaktionen wie Atmung oder Pupillenweite. (3) Emotionale Zustände wie Angst, Frustration oder Erleichterung. (4)  Und selbst Denk- und Verhaltensmuster – Motivation, Entscheidungsfreude oder Fokus. Wenn sich nach einem Drill nicht nur die Bewegung verbessert, sondern auch die Stimmung, die Konzentration oder die Bereitschaft, Neues auszuprobieren – dann hat sich das gesamte System verschoben.

Die Kunst der Anwendung: Gute Neurologie ist im Kern einfache Kommunikation: Reiz setzen, beobachten, was passiert, und daraus lernen. In der Praxis läuft das oft in drei Schritten ab: (1) Einen Ausgangspunkt wählen – zum Beispiel eine eingeschränkte Bewegung oder einen Balance-Test. (2) Einen gezielten Input geben – etwa einen Atemrhythmus, eine Augenbewegung oder eine Gelenkmobilisation. (3) Sofort nachprüfen, wie sich der Output verändert hat. 

Das Entscheidende ist dabei, dass wir nicht raten, sondern testen. Fühlt sich der Klient danach besser, beweglicher oder stabiler? Dann war es ein hilfreicher Input. Tritt keine oder eine negative Veränderung auf, verwerfen wir den Reiz. Das klingt unspektakulär, ist aber hochwirksam – weil das Nervensystem innerhalb von Sekunden zeigt, was es braucht.

Weniger ist mehr! Einer der häufigsten Fehler besteht darin, zu viel zu tun. Ein Drill, der für 15 Sekunden gut ist, kann nach zwei Minuten Stress auslösen. Das Nervensystem liebt präzise, kleine Reize – keine Überforderung. Man kann sich das wie Espresso vorstellen: Ein kleiner Shot weckt dich auf. Sechs Shots hintereinander machen dich zittrig. Deshalb gilt: lieber kurz, gezielt und häufig, statt lang und unkontrolliert.

Von kleinen Siegen zu großen Veränderungen: Wenn du herausgefunden hast, welche Inputs gut funktionieren, kannst du beginnen, sie zu kombinieren. Zum Beispiel: eine Atemübung mit einem Gleichgewichtsdrill verbinden. Oder eine visuelle Übung mit einer gezielten Gelenkbewegung. So lernt das Nervensystem, Signale aus verschiedenen Bereichen zu integrieren und sie gemeinsam zu verarbeiten. Das Ergebnis: Stabilere Bewegung, weniger Schmerz, mehr Fokus. Doch dabei gilt auch: Das Nervensystem hat immer ein Vetorecht. Wenn plötzlich Schwindel, flache Atmung oder Stresssymptome auftreten, heißt das: „Stopp. Zu viel.“ Dann ist es Zeit, die Übung zu beenden und einen anderen Weg zu wählen.

Sicherheit ist lernbar: Der vielleicht wichtigste Aspekt: In der angewandten Neurologie trainieren wir nicht nur Zustände, sondern Übergänge. Es geht nicht darum, dauerhaft entspannt zu sein – sondern flexibel zwischen Aktivierung und Ruhe wechseln zu können. Ein Nervensystem, das diese Übergänge bewusst steuern kann, ist resilient, leistungsfähig und belastbar. Das ist der eigentliche Kern des Trainings: Sicherheit ist kein Zustand, sondern eine Fähigkeit.

In der Praxis zeigt sich das täglich: Ein Fußballspieler, der nach einem gezielten vestibulären Drill plötzlich stabiler steht. Eine Büroangestellte, deren Nackenschmerz nach Augenübungen spürbar nachlässt. Diese Veränderungen passieren nicht, weil Gewebe sich in Sekunden verändert, sondern weil das Gehirn beginnt, die Welt anders zu interpretieren. Es spürt Sicherheit – und Sicherheit schafft Bewegung.

Vom Drill zum System: Angewandte Neurologie ist also mehr als ein Werkzeugkasten. Es ist ein Rahmen, in dem du lernst, das Nervensystem zu lesen, gezielt anzusprechen und auf seine Reaktionen zu hören.

 

Viel Erfolg beim Training!

Yassin & Team


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